In der letzen Zeit habe ich euch schon viel erzählt über meine Überlegungen, mich wieder mehr zu konzentrieren. Fotografisch gesehen. Zurück in die Vergangenheit. Dinge, Sichtweisen und Ideen entschleunigen. Die Rückkehr zur bzw. der (Wieder-) Einzug in die analoge Fotografie nimmt Formen an. Neben altem Filmmaterial, das ich nach 15 Jahren in der Tat noch in diversen Schachten und Kästchen entdeckt habe, werde ich natürlich auch mit aktuell noch zur Verfügung sehenden Filmen experimentieren. Gespannt bin ich, ob die schon lange abgelaufenen Schätzchen überhaupt noch Töne (hier Bilder) von sich geben.
Bevor ich aber zu sehr ins Detail gehe, möchte ich hier noch eine Erinnerung aus dem Jahr 1993 mit euch teilen. Judith war damals eine 18-jährige Abiturientin und stand das erste Mal überhaupt vor meiner Kamera. Wir sprachen eine ganze Weile über die Entstehung von Bildern und über die Art und Weise meiner Arbeit. Mir war sie immer wichtig, die "Aufklärung. Die meisten Mädels zögern eben auch genau diesem Grund, ihre Fotowünsche umzusetzen. Fehlende Aufklärung (durch den Fotografen) ist hier einer der Hauptgründe. Unsicherheiten zum Ablauf eines Shoots, folgen der Grundnervosität, die bei den meisten Menschen vorherrscht, wenn Unbekanntes Terrain betreten werden muss.
Insbesondere natürlich dann, wenn die eigene Privat- respektive Intimsphäre involviert wird. Nicht anderes passiert ja, wenn der Besuch beim Fotografen keine Porträtsession werden soll. Judith hatte sich speziell und ganz bewusst für "nackte" Bilder entschieden. Nicht im anonymen Studio. Der Ort der Wahl war für sie ihr eigenes Schlafzimmer. Weiter ging die Kategorisierung nicht. Aktfotos waren nicht ihr Ding, wie sie mir erzählte. Zu viel Kitsch und steretype Abbilder hatte sie bereits gesehen. Das Attribut "erotisch" gefiel der jungen Frau ebenfalls nicht. Das plakative und "billige" zur Schau stellen von Reizen empfand die Schülerin damals zu lüstern und anzüglich. Judith: "Nutten können das gerne machen, das passt ins eh schon geschmacklose Umfeld. Die Kerle wollen ja billige und willige Ansichten." Eine klare Ansage, die ich so nicht erwartet hatte.
Natürlichkeit, Körpergefühl und die Freiheit, sich unverschämt fallen lassen zu können. Auf diesen roten Faden haben wir uns dann geeinigt. Mir spielte das in die fotografischen Karten, denn zu viel Schau und falsche Fährten waren (und sind) auch nicht mein Ding. Für Judith wurde ihr erster Fotoshoot eine intensive Erlebnisreise. Das hat sie mir Jahre später einmal erzählt. Trotz einer toleranten Erziehung jenseits von Prüderie war die Hemmschwelle, die Privatheiten des eigenen Körpers einer fremden Person zu "offenbaren" das schwierigste Hindernis auf dem Weg zu Umsetzung des Fotowunsches.
Entstanden sind am Ende Bilder mit sehr viel 60er und 70er Jahre Charme. Locker und freizügig. Die sexuelle Revolution lebte im Kind der Achtziger weiter. Bildsprachlich vielleicht auch darum, weil Frau damals noch Haar zwischen den Schenkeln trug. Zwar nicht mehr ganz so üppig und unkonturiert wie noch eine Generation vorher. Trotzdem aber präsent und unübersehbar. Und genau diese selbstbewusste Freiheit, gepaart mit einer Anti-Model-Ausstrahlung machen die Bilder für mich zu ganz besonderen Statements. Und zu einer Erinnerung an eine längst vergangene Zeit.