Die männliche Erotik unterscheidet sich von der der Frau in einem entscheidenden Punkt: In der Fotografie ist sie nicht existent - zumindest nicht nach einigermaßen „soliden“ Ansprüchen an Ästhetik, Stil und realistischer Abbildung. Der Sex des Mannes zeigt sich entweder mit einer homophoben Färbung oder ist erschreckend begrenzt auf die überhöhte Betonung des in weiten Teilen der Welt noch heute kultisch verehrten Phallussymbols.
Während das weibliche Geschlecht in vielfältiger Weise im erotischen Kontext inszeniert wird, bleiben dem Mann introvertierte oder emotionale Zwischentöne verwehrt. Die Rollenverteilung – besonders in der Fotografie - ist eindeutig: Gefragt ist der omnipotenter Lustprotz, klischeehaft auf stammtischtauglich Größenvergleiche reduziert. Wirklich?
Meine Erfahrungen als Fotograf zeichnen ein deutlich differenziertes Bild, das besonders unter Einbeziehung der weiblichen Einstellung zu diesem Thema eine gänzlich konträre Deutungsform zulässt: Männliche Erotik – dargestellt nach den oben genannten Gesichtspunkten - geht an der weiblichen Wahrnehmung und an ihren emotionalen Befindlichkeiten vorbei. Männer werden dementsprechend nicht dann als „erotisch“ wahrgenommen, wenn die primären Geschlechtsmerkmale möglichst deutlich hervorgehoben werden.
Die Formel „Schwanz=Sex“ und die daraus resultierende Schlussfolgerung (auch für den Fotografen) führt folglich zu keinem - auch im direkten Wortsinn - befriedigenden Ergebnis. Das Schlüsselelement ist die Emotion. Die unter diesen Vorzeichen dargestellte „sexuelle Privatsphäre“ des Mannes mit zutiefst menschlichen, ehrlichen, intimen und verletzlichen Gefühlen wird, entsprechend visualisiert, zur erotischen Beschreibung des männlichen Geschlechts. Und das keineswegs nur in der zeitgenössischen Fotografie.